Archiv für den Monat: September 2025

Die Vergleiche von Oberbürgermeister Schoeller sind zynisch – Gaza ist kein normaler „Kriegsherd“

Bild Aljazeera

Am 04.09.2025 erklärte der Kasseler Oberbürgermeister in der HNA, Gaza sei „nicht das einzige Kriegsgeschehen auf der Welt“ – und verwies auf Ruanda, Äthiopien und Myanmar.
Das ist zynisch und falsch: In Ruanda gibt es keinen Krieg.
In Äthiopien gibt es Konflikte – aber keine gezielte Belagerung und Massentötung von Kindern wie in Gaza.
In Myanmar herrscht Gewalt – doch nicht vergleichbar mit der humanitären Katastrophe in Gaza.
Gaza ist heute der größte Kinderfriedhof der Welt.
Schätzungen zufolge stirbt dort jede Stunde ein Kind – durch Hunger, Bombardierungen oder gezielte Erschießungen.
Wer Gaza mit „anderen Kriegsherden“ gleichsetzt, relativiert dieses beispiellose Verbrechen – und verschafft sich eine Ausrede, nichts zu tun.
Deutschland liefert Waffen, Kassel pflegt eine Städtepartnerschaft mit Ramat Gan – doch für Kinder in Gaza verweigert man jede konkrete Hilfe. Das ist Heuchelei.
Andere Städte haben gehandelt.

Wann endlich auch Kassel?

Bild Deutschlandfunk

Stellungnahme der Palästinensischen Gemeinde-Kassel e.V. zur Entscheidung des Kasseler Stadtparlaments, keine Kinder aus Gaza aufzunehmen

Bild ABC News

Mit tiefer Bestürzung nimmt die Palästinensische Gemeinde-Kassel e.V. die Entscheidung des
Kasseler Stadtparlaments zur Kenntnis, verletzte und traumatisierte Kinder aus dem
Gazastreifen nicht aufzunehmen.
Seit fast 700 Tagen erleben Kinder in Gaza ununterbrochenes Leid: Mehr als 19.000 Kinder
wurden getötet. Rund 40.000 haben mindestens ein Elternteil oder beide Eltern verloren.
Über 132.000 Kinder sind vom Hungertod bedroht. Sie verlieren Eltern, Geschwister und ihr
Zuhause. Viele liegen in zerstörten Krankenhäusern – ohne Strom, ohne Medikamente, ohne
ausreichende ärztliche Versorgung. Operationen müssen oft ohne Betäubung durchgeführt
werden, weil keine Narkosemittel mehr vorhanden sind. Besonders erschütternd ist, dass
Hunger gezielt als Waffe eingesetzt wird. In Gaza-Stadt und Umgebung herrscht inzwischen
eine offiziell festgestellte Hungersnot. Mehr Kinder sind dort bereits gestorben als in allen
anderen Konflikten weltweit. Mehr als 90 Kinder sind bereits an Unterernährung, Dehydrierung
und vermeidbaren Krankheiten gestorben. Andere durchsuchen Trümmer nach Essbarem,
während ihre Körper immer schwächer werden. Das Leid, das sie ertragen müssen, ist kaum in
Worte zu fassen.
Während SPD und Linke im Kasseler Stadtparlament Anträge gestellt haben, um Kinder
aufzunehmen und medizinisch zu versorgen, haben die Koalitionsfraktionen der Grünen, der
CDU und der FDP diese abgelehnt. Damit liegt es nun in der Verantwortung der Kasseler
Stadtpolitik, ob sie dem Leid dieser Kinder tatenlos zusieht oder konkrete Hilfe leistet.
Andere Städte – darunter Frankfurt, Bonn, Kiel, Hannover, Düsseldorf und Leipzig – haben
gezeigt, dass Hilfe möglich ist, wenn der politische Wille vorhanden ist. Kassel hingegen
verschließt seine Türen – und das erfüllt uns mit tiefer Trauer. Eine Stadt, die für Weltoffenheit
steht, darf in dieser humanitären Katastrophe nicht tatenlos bleiben.
Wir fragen daher: Wie viele Kinder müssen noch sterben, verhungern oder zu Waisen werden,
bevor Kassel Verantwortung übernimmt?
Die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet uns, jedem Kind das Recht auf Leben, Nahrung und
Schutz zu gewährleisten. Diese Verpflichtung darf nicht nur auf dem Papier bestehen, sie muss
in der Realität umgesetzt werden.
Darum appellieren wir an die Fraktionen von Grünen, CDU und FDP: Revidieren Sie Ihre
Entscheidung und übernehmen Sie Ihre moralische Verantwortung gegenüber den Kindern in
Gaza. Wir fordern zugleich den Magistrat und den Oberbürgermeister auf, im Falle eines neuen
Beschlusses, die Umsetzung im Sinne der Menschlichkeit sicherzustellen.
Jedes gerettete Kind bedeutet Hoffnung – ein Sieg über Zerstörung und Verzweiflung.

Bild Unicef

Das schönste Land: Die Dörfer Palästinas

Palästina hat eine einzigartige und umfangreiche Geschichte, welche seit tausenden von Jahren dokumentiert wird. Vor 1948 war Palästina die Heimat einer vielfältigen Bevölkerung aus Muslimen, Juden und Christen, da alle Gruppen religiöse Verbindungen zu diesem Gebiet hatten, insbesondere zur Stadt Jerusalem. Das Land selbst stand unter der Kontrolle verschiedener Reiche, darunter die Assyrer, Babylonier, Perser, Griechen, Römer, Byzantiner und schließlich das Islamische Kalifat und das Osmanische Reich.

Vor 1948 lebte die palästinensische Bevölkerung überwiegend in Dörfern. Die Dörfer variierten in der Größe, von kleinen Weiler-Siedlungen, die aus einer einzigen Großfamilie bestanden, bis zu großen Dörfern mit mehreren Tausend Einwohnern. Sie wurden oft auf Hügeln oder Hängen erbaut, um Schutz und Entwässerung zu gewährleisten, und waren von landwirtschaftlichen Flächen für Feldfrüchte und Vieh umgeben.

Vor 1948 gab es in Palästina etwa 1.300 Dörfer, Weiler und ländliche Siedlungen, davon etwa 773 palästinensische Dörfer in den Gebieten, die später zu Israel gehörten. Nach Aufzeichnungen des britischen Mandats existierten rund 850–900 ländliche Dörfer, wobei die Einbeziehung kleiner Weiler die Gesamtzahl auf über 1.200 erhöht. Dörfer waren über alle Distrikte verteilt, darunter Jerusalem, Jaffa, Haifa, Akko, Beerscheba, Gaza, Nazareth, Tiberias, Safed, Jenin, Tulkarem, Baysan und Hebron, mit unterschiedlicher Bevölkerungsdichte und landwirtschaftlicher Produktivität.

Während der Nakba ‘großen Katastrophe’ in 1948 wurden über 530 Dörfer zerstört und ihre Bewohner wurden von Israel vertrieben. Das Ausmaß der Nakba war verheerend und ist bis heute noch spürbar. 750.000 Palästinenser wurden von ihren Häusern vertrieben und sind somit in die Nachbarländer wie dem Libanon und Syrien geflüchtet. Laut UN-Angaben leben derzeit fast 500.000 Palästinenser in Flüchtlingslager im Libanon.

In dieser Serie “Das schönste Land: Die Dörfer Palästinas” werden wir verschiedene palästinensische Dörfer und ihre Geschichte vorstellen, um ihre Erinnerung am Leben zu erhalten.