
Als Teil unserer Serie “Das schönste Land: Die Dörfer Palästinas” stellen wir euch heute das Dorf “Beit Mahsir” vor.
Das Dorf lag oben am Hang eines Berges und blickte von Westen auf eine weite Küstenebene hinab. Über Nebenwege war es mit der Hauptstraße Jerusalem–Jaffa und mit den umliegenden Dörfern verbunden. Im Jahr 1875 lebten dort etwa 450 Menschen.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Beit Mahsir ein mittelgroßes Dorf, das sich auf mehrere Hügelkuppen verteilte und einen Blick auf die westlich gelegenen Höhenzüge bot. Die Bewohner bauten vor allem Oliven an, besonders auf den Feldern nördlich des Dorfes, und versorgten sich mit Wasser aus einer Quelle im Nordosten.
Das Dorf hatte die Form eines Trapezes; die aus Stein und Lehm errichteten Häuser lagen in vier voneinander getrennten Vierteln. Es wuchs entlang der Straße, die von Ost nach West durch die Mitte führte und die Nachbardörfer verband. An dieser Hauptstraße befanden sich die Läden sowie öffentliche Gebäude, darunter auch die Dorfmoschee. Die Dorfbewohner, allesamt Muslime, waren stolz darauf, dass der letzte Imam, Scheich Khalil Asad, ein Absolvent der al-Azhar-Universität[i] in Kairo gewesen war. Neben der Moschee gab es im Dorf noch zwei heilige Stätten. Außerdem bestanden eine Grundschule im Westen, eine weiterführende Schule im Osten sowie eine Mädchenschule, die ursprünglich in einem Gebäude untergebracht war, das zuvor als Dorfambulanz gedient hatte.
Die Menschen von Beit Mahsir lebten vor allem vom Regenfeldbau: Sie pflanzten Getreide, Obstbäume, Oliven, Weizen, Sesam und Weinreben. Große Waldflächen erstreckten sich in der Umgebung des Dorfes. In den Jahren 1944/45 waren insgesamt 6.225 Dunam[ii] 6,225 km2 für Getreide und 1.348 Dunam 1,348 km2 für bewässerte Felder oder Obstgärten bestimmt. Zudem verfügte das Dorf über eine Ölmühle und mehrere Getreidemühlen.
Das Dorf Beit Mahsir liegt auf einer relativ hohen Anhöhe des Jerusalemer Berglands, etwa 600 m über dem Meeresspiegel und rund 26 Kilometer westlich von Jerusalem.
Sein Land grenzte an die Flächen mehrerer Dörfer, darunter Saris, Suba, Al-Qastal, Beit Jiz, Beit Thul und Ishwa. Von dort aus blickte man ins Tal Bab Al-Wad. Außerdem führten Nebenstraßen vom Dorf zur Hauptstraße Jerusalem–Jaffa.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts (1875) wurde die Einwohnerzahl auf etwa 450 geschätzt. Im Jahr 1931 lebten bereits rund 1.920 Menschen in 445 Häusern, und bis 1945 war die Zahl auf etwa 2.400 angewachsen.
Nakba 1948
Obwohl das Dorf während der Operation Nachschon[iii] Anfang April 1948 ins Visier der Besatzung genommen worden war, wurde es erst in der ersten Maihälfte 1948 tatsächlich besetzt.
Nach der Operation Nachschon startete die Haganah[iv] eine Reihe von Angriffen, um den von ihr nach Jerusalem geschaffenen Korridor zu erweitern und das strategisch wichtige Zentrum von Latrun zu erobern. Beit Mahsir fiel schließlich während der Operation Makkabi in die Hände der Brigade Harel.
Ende März 1948 berichtete die „New York Times“, dass die britische Armee das Dorf kurzzeitig besetzt hatte. Beit Mahsir hatte britische Angriffe abgewehrt, nachdem arabische Kräfte die Siedlung Hartuv im Westen überfallen hatten.
Beit Mahsir Heute
Heute sind im Dorf noch einige Häuser erhalten, die verstreut wirken, sowie Überreste von Höhleneingängen, Brunnen und zwei verlassene Häuser.
Die Reste einer Getreidemühle, eine Metallmaschine mit Ausgleichsrollen auf einem steinernen Fundament, sind ebenfalls sichtbar. Vom östlichen Ende des Dorfes erstreckt sich ein alter Naturwald über den Bergrücken. Auf der Westseite des Geländes sind weiterhin Ruinen aus Steinhäusern und die Überreste der steinernen Mauern rund um die Obstgärten zu erkennen.
Im August schlug der Jüdische Nationalfonds dann vor, eine Siedlung namens „Beit Me’ir“ auf den Ruinen des Dorfes zu errichten. Angaben zufolge sollte diese Siedlung ursprünglich „Hagshama“ genannt werden, als sie am 27. September 1948 gegründet wurde. Andere Quellen berichten, dass „Beit Me’ir“ erst im Februar 1950 auf dem Land des Dorfes gegründet wurde, und dass „Hagshama“ eigentlich der ursprüngliche Name der Siedlung „Shorish“ war, die 1948 auf dem Gelände des Dorfes Saris (Bezirk Jerusalem) entstand.
Die Siedlung „Mesilot Zion“ wurde 1950 nordwestlich des ehemaligen Dorfstandorts gegründet.
Das Jüdische Nationalfonds hat die Wälder am Rande des Dorfes zu einem Naturschutzgebiet erklärt, das als „Gebiet Nr. 356“ bekannt ist, und dieses dem Lions Club in Israel geschenkt.
[i] Die Azhar-Universität (arabisch جامعة الأزهر, DMG ǧāmiʿat al-Azhar) ist eine islamische Universität in Ägypten, die Teil der Gesamtkörperschaft der Azhar ist. Sie ist über zahlreiche Standorte in ganz Ägypten verteilt und hat einen männlichen und einen weiblichen Zweig. Im männlichen Zweig gibt es heute insgesamt 43 Fakultäten: sechs Fakultäten für Theologie (uṣūl ad-dīn) und islamische Mission (Daʿwa), fünf juristische Fakultäten, sieben Fakultäten für Arabische Sprache (al-luġa al-ʿArabīya), sechs Fakultäten für islamische Wissenschaften (ad-dirāsāt al-islāmīya), drei medizinische Fakultäten, zwei Fakultäten für Zahnmedizin, zwei pharmazeutische Fakultäten, zwei ingenieurwissenschaftliche Fakultäten, zwei landwirtschaftliche Fakultäten, zwei Fakultäten für Landwirtschaftstechnik, zwei erziehungswissenschaftliche Fakultäten, eine handelswissenschaftliche Fakultät, eine Fakultät für Sprachen und Übersetzung, eine medienwissenschaftliche Fakultät und eine naturwissenschaftliche Fakultät. Quelle: Azhar-Universität – Wikipedia
[ii] Dunum bzw. Dunam oder Donum geschrieben (im heutigen Türkischen Dönüm) ist ein Flächemaß aus der Zeit der Osmanen.
Es ist in Vorderasien teilweise heute noch gängig. Der Begriff ist abgeleitet von „dönmek“, was so viel bedeutet wie umkehren bzw. heimkehren. Damit sollte die Fläche beschrieben werden, die ein Mann an einem Tag Pflügen und Abends heimkehren kann. Heutzutage wird in der Umrechnung der Maßeinheit deutlich, dass Dunum unterschiedliche Flächen beschreibt je nach Region:
Im Libanon, in Libyen, in Syrien und der Türkei wird ein traditionelles Dunum von ca. 919 m² verwendet. In Palästina entspricht ein Dunum 1000 m². In dieser Form wird es auch in Jordanien und auf dem Balkan angewandt. Auf Zypern ist ein Dunum 1337,8 m² wegen der dort durch britische Kolonialisten eingeführten Yard-Umrechnung. Im Irak ist ein Dunum 2500 m².
[iii] Die Operation Nachschon (hebräisch מִבְצַע נַחְשֹׁון Mivza Nachschōn) war eine militärische Operation der Hagana im April 1948 im Rahmen der Nakba. Quelle: Operation Nachschon – Wikipedia
Quellen:
بيت محسير.. قرية مقدسية دمرتها الهاغاناه وأقيمت على أنقاضها مستوطنتان | الموسوعة | الجزيرة نت
بيت محسير قضاء القدس – Bayt Mahsir (בית מחסיר) – Palestine Remembered
[iv] Die Hagana, auch Haganah, (hebräisch הַהֲגַנָּה ‚die Verteidigung‘) war eine zionistische paramilitärische Untergrundorganisation in Palästina zur Zeit des britischen Völkerbundsmandats für Palästina (1920–1948). Unmittelbar nach der Ausrufung des Staates Israel 1948 wurde die Hagana in reguläre israelische Streitkräfte umgewandelt, in die später weitere paramilitärische Gruppen, etwa der Irgun, integriert wurden. Quelle:
