
Als Teil unserer Serie “Das schönste Land: Die Dörfer Palästinas” stellen wir euch heute das Dorf “Yibna” vor.
Das Dorf lag in der Küstenebene, etwa 7,5 km östlich des Mittelmeers. Es galt als zentraler Knotenpunkt eines Verkehrsnetzes, das den Süden Palästinas mit dem westlichen Zentralgebiet verband. Dort befand sich eine Bahnstation auf der Strecke zwischen Gaza und Lydda, und auch die Hauptstraße von Gaza nach Jaffa führte durch das Dorfgebiet. Die Dorfgebäude erstreckten sich entlang der Straßen und der Eisenbahnlinie und wurden von vier Hauptstraßen durchzogen – zwei nach Norden, zwei nach Süden –, die sich in der Mitte etwa kreuzten. Die Entfernung nach Jaffa betrug etwa 24 km, zum Meer nur rund 6 km.
Literarische Quellen liefern viele Details zur alten Geschichte Yibnas. Im Alten Testament erscheint der Ort unter dem Namen „Yibna“ (2. Chronik 26:6–8) und scheint zu den Städten der alten Philister gehört zu haben. In der hellenistischen Zeit war Yibna ein militärisches und administratives Zentrum der Region.
Die heutige Siedlung Yibna wurde auf den Ruinen einer alten kanaanäischen Stadt namens „Yibna“ errichtet, was wohl „der Herr baut“ bedeutet. In der Römerzeit hieß sie „Iamnia“, die Araber nannten sie „Yubna“ oder „Yibna“ und die Kreuzfahrer „Ibelin“.
Bereits während der makabäischen Kriege spielten die Römer eine Rolle in der Stadtgeschichte: 156 v. Chr. zerstörten sie Yibna und setzten Feuer, doch wenige Jahre später ließ Gabinius die Stadt wieder aufbauen. Unter Kaiser Augustus schenkte man Yibna Herodes dem Großen, der auch die Küstenstadt Caesarea errichten ließ. In der römischen Zeit erlebte Yibna eine Blüte: Sie wurde zum Zentrum einer großen Provinz, ihr Hafen war wichtiger als der von Jaffa, und nach der Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. nutzten die Juden die Stadt als Sitz ihres religiösen Rates, des Sanhedrin.
Später gelangte Yibna in arabische Hände, als Amr ibn al-As die Stadt einnahm. Den Bewohnern wurde gemäß islamischer Überlieferung Schutz für Leben und Besitz zugesichert. Arabische Historiker erwähnten die Stadt mehrfach: Al-Ya’qubi[i] beschrieb sie als „eine der alten Städte Palästinas, auf einem Hügel gelegen. Al-Muqaddasi[ii] lobte die schöne Moschee und nannte die Stadt auch für ihre hochwertigen Feigen bekannt.
Im Jahr 1596 war Yibna ein Dorf im Gouvernement Gaza (Liwa Gaza) mit 710 Einwohnern. Es zahlte Steuern auf verschiedene Getreidesorten wie Weizen und Gerste, auf Sommerfrüchte, Sesam, Obst sowie auf andere Produkte wie Ziegen, Bienenvölker und Weinberge an das osmanische Reich.
Ende des 19. Jahrhunderts war Yibna ein großes, aus Stein gebautes Dorf auf einem Hügel. Nördlich davon befanden sich Olivenhaine, Maisfelder und Obstgärten. Das moderne Yibna verfügte über vier Hauptstraßen – zwei verlaufen von Ost nach West, zwei von Nord nach Süd. Die Mehrheit der Bewohner waren Muslime. Es gab zwei Grundschulen: eine für Jungen (gegründet 1921, 445 Schüler 1941/42) und eine für Mädchen (gegründet 1943, 44 Schülerinnen 1948).
Dank der Nähe zum Meer gab es viele Quellen und Brunnen. Die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte waren Zitrusfrüchte. 1944/45 entfielen 6.468 Dunam[iii] 6,47 km2 auf Zitrusfrüchte und Bananen, 15.124 Dunam 15,12 km2 auf Getreide, 11.091 Dunam 11,09 km2 auf bewässerte Felder oder Obstgärten – davon nur 25 Dunam 0,025 km2 für Oliven.
Yibna gehörte zu den größten arabischen Dörfern im Verwaltungsbezirk Ramla. Es lag zwischen Aschkelon und Jaffa, südwestlich von Ramla, direkt an der Eisenbahnlinie von Gaza zur zentralen Station in Lydda. Die Entfernung zur Bahnstation in Gaza betrug 56 km, zur Station in Lydda 22 km – diese hatte sich während der britischen Mandatszeit Palästinas stark vergrößert.
Nakba 1948
Yibna, einst ein lebendiges arabisches Dorf an der Küste Palästinas, wurde Anfang Juni 1948 zum Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen ägyptischen und israelischen Truppen. Während israelische Berichte vom 4. Juni berichten, dass die Stadt nach Mörserbeschuss und Kämpfen mit alten Männern, Frauen und Kindern eingenommen und die Bevölkerung vertrieben wurde, geben andere Quellen an, dass die Bewohner die Stadt aus Angst vor den heranrückenden Truppen bereits in der Nacht vom 4. auf den 5. Juni kampflos verließen. Zeitgenössische Medienberichte der New York Times und der United Press zeichnen ein weiteres Bild: Zunächst beschoss die israelische Artillerie die höher gelegenen Stadtteile, während Eliteeinheiten hinter Minenräumtrupps vorrückten. Bei Sonnenaufgang flohen die Zivilisten Richtung Küste, unbehelligt von den Angreifern. Schließlich fiel Yibna und wurde zu einem strategischen Punkt an der Küstenstraße – der letzten „arabischen Festung“ zwischen Tel Aviv und den ägyptischen Stellungen nördlich von Ashdod.
1922 lebten 1.791 Menschen in Yibna, 1931 waren es 3.600, 1945 etwa 5.420 plus rund 1.500 Beduinen in der Umgebung. Zum Zeitpunkt der Nakba 1948 zählte die Stadt 6.287 Einwohner und wurde am 4. Juni besetzt. 1949 zerstörten die israelischen Streitkräfte das Dorf und errichteten auf seinem Gebiet die Stadt Yavne sowie zwischen 1949 und 1963 acht weitere kleine Siedlungen.
Yibna Heute
Heute durchquert eine Eisenbahnlinie das Gebiet der ehemaligen Stadt. Die Moschee ist zerstört, doch ihr Minarett steht noch, ebenso wie ein weiterer religiöser Komplex. Einige Häuser blieben erhalten: mindestens zwei werden von jüdischen Familien genutzt, eines von einer arabischen Familie. Während eines der jüdischen Häuser ein modernes Betongebäude mit Flachdach, Strommast und Fernsehantenne ist, besitzt das andere ein traditionelles Giebeldach. Das arabische Haus ist klein, teilweise baufällig und mit einem schrägen Ziegeldach versehen. In seiner Nähe liegt ein runder, nicht mehr genutzter Brunnen, der teilweise mit einer halbzylindrischen Steinstruktur überdeckt wurde.
Auf dem Land von Yibna entstanden nach der Vertreibung der Bewohner mehrere israelische Siedlungen. Bereits 1941 und 1946 wurden Yavne und Beit Rabban errichtet. 1949 folgten die Gründungen von Yavne, Kfar Hanagid und Beit Gamliel. In den folgenden Jahren entstanden Ben Zakkai (1950), Kfar Aviv (ursprünglich Kfar Heyor, 1951), Tzofiya (1955) und Keren Yavne, eine Bildungseinrichtung, im Jahr 1963. Auf diese Weise wandelte sich das historische Dorf Yibna zu einem Netz neuer Siedlungen und Einrichtungen, während nur noch vereinzelte Spuren der alten Stadt an ihre arabische Vergangenheit und vertriebene Bevölkerung erinnern.
[i] Abū l-ʿAbbās Ahmad ibn Ishāq ibn Wādih al-Yaʿqūbī (arabisch ابو العباس أحمد بن إسحاق ابن واضح اليعقوبي, DMG Abū l-ʿAbbās Aḥmad ibn Isḥāq Ibn Wāḍiḥ al-Yaʿqūbī geboren in Bagdad; gestorben im frühen 10. Jahrhundert, nicht vor 905 in Ägypten[1]) war ein arabischer (schiitischer) Historiker und Geograph, der in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts lebte. Quelle: al-Yaʿqūbī – Wikipedia
[ii] Šams ad-Dīn Abū ʿAbd Allāh Muḥammad ibn Aḥmad ibn Abī Bakr al-Bannāʾ al-Baššārī (arabisch شمس الدين محمد بن أحمد المقدسي, bekannt als al-Muqaddasī oder auch al-Maqdisī; geb. 945 in Jerusalem; gest. nach 1000) war ein arabischer Geograph der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Er ist bekannt für sein Buch Aḥsan at-taqāsīm fī maʿrifat al-aqālīm,[1] das Karten enthält. Quelle: al-Muqaddasī – Wikipedia
[iii] Dunum bzw. Dunam oder Donum geschrieben (im heutigen Türkischen Dönüm) ist ein Flächemaß aus der Zeit der Osmanen.
Es ist in Vorderasien teilweise heute noch gängig. Der Begriff ist abgeleitet von „dönmek“, was so viel bedeutet wie umkehren bzw. heimkehren. Damit sollte die Fläche beschrieben werden, die ein Mann an einem Tag Pflügen und Abends heimkehren kann. Heutzutage wird in der Umrechnung der Maßeinheit deutlich, dass Dunum unterschiedliche Flächen beschreibt je nach Region:
Im Libanon, in Libyen, in Syrien und der Türkei wird ein traditionelles Dunum von ca. 919 m² verwendet. In Palästina entspricht ein Dunum 1000 m². In dieser Form wird es auch in Jordanien und auf dem Balkan angewandt. Auf Zypern ist ein Dunum 1337,8 m² wegen der dort durch britische Kolonialisten eingeführten Yard-Umrechnung. Im Irak ist ein Dunum 2500 m².
Quellen:
يبنا قضاء الرملة – Yibna (יבנה) – Palestine Remembered يبنة… قرية فلسطينية مهجرة تأسست قبل الميلاد
Depopulated Villages Yibna Governed by Ramla | Depopulated Palestinian villages | Our Palestine
